Faule Säcke seien meine Leute. Wer so was sagt? Ich nicht. Ich habe sie anlässlich meines letzten Qualigespräches noch gerühmt. Denn sie sind fleissig und machen einen guten Job.
Doch nun muss ich ihnen sagen, dass sie zu langsam sind. Zu lange an den einzelnen Dellen herumdrücken. 20 bis 30 Prozent schneller gehe das, sagt der +vffs. Oder sagt es gar nicht der +vffs, sondern die Versicherungswirtschaft?
So oder so. Mitten im Sommer kommt die Nachricht, dass eine neue Liste im Umlauf sei. Hagelschäden, nach dieser Liste berechnet, sind bis über einen Drittel billiger. Einfach so.
Woher die +vffs Leute (oder eben die Versicherungsleute, oder, ein weiteres Gerücht, die Xpert-Center-Leute) die lustigen Zeiten haben, weiss ich nicht. Die Liste kam aus der Dunkelkammer und überraschte wohl nicht nur Freund und Feind – nein – sogar die eigenen Leute wurden überrascht! So hatte Audatex das Zeugs schon implementiert und einige Versicherungen frohlockten wohl schon über den Millionencoup, bevor alle +vffs Leute auf dem Laufenden waren. Gute Kommunikation sieht anders aus. Vielleicht hätte man ja auch uns Reparateuren was sagen können?
Zum Glück nicht. Denn die Liste ist nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben ist. Einfach peinlich.
Ein Beispiel? Für 300 Dellen werden dem geschundenen Mitarbeiter 6.7 Stunden zugestanden. Bis anhin (also nach alter Liste) brauchte der faule Sack dafür 8 Stunden. Doch jetzt kommt’s: Weitere 300 Dellen soll er in 2.1 Stunden schaffen.
Ich fragte die Ladys in meinem Büro: Wie lange braucht ein Drücker für 600 Dellen, wenn er für 300 6.7 Stunden hat. „Dreizehnkommavier" lautete die erste Antwort. Dann die zweite Dame: „Nein, etwas länger. Schliesslich ist er nach den ersten 300 schon etwas müde". Super. Wer das als frauliche Unlogik abtut, liegt daneben. Oder will etwa jemand sagen, Usain Bolt sei ein fauler Sack, weil er 100 Meter in 9.6 Sekunden schafft und dann für den 200-Meter-Lauf etwas mehr als das Doppelte braucht?
Gut, die Leute vom +vffs (oder eben deren Hintermänner) sehen das wohl anders. Sie haben wahrscheinlich einmal einem dieser Drückcracks über den Rücken geschaut. Sie haben gesehen, dass der das viel schneller macht als der Normalsterbliche. Sie waren wohl neidisch auf dessen gute Verdienstmöglichkeit und haben die Zeiten einfach mal etwas gekürzt. So, als ob Ausnahmetalente nicht auch besonders gut verdienen dürften. Doch mit welcher Argumentation soll dann ein sehr erfolgreicher Mitarbeiter in der Finanzwirtschaft seinen um Faktoren höheren Lohn rechtfertigen. Oder ein Ausnahmetalent wie Roger Federer? Der verdient immerhin auch etwas mehr als der Tennislehrer, der meinen Jungs das Spielen beigebracht hat.
Der +vffs hat sich bereits mit der letzten Ausgabe der BWR (2010) als branchenrelevanter Verein verabschiedet. Dieses Büchlein entstand, wie auch eben diese Hagelliste, in der Dunkelkammer. Früher waren alle Vertreter der in einen Schaden involvierten Parteien (AGVS, SVV, TCS, VSCI, usw.) bei der Erarbeitung und Vernehmlassung involviert. Das neue Werk entstand ohne solche lästigen «Mitschwätzer». Entsprechend ist das Ergebnis: Voller Fehler, in sich nicht stimmig, widersprüchlich und nicht kohärent mit früheren Ausgaben. Und, last but not least, die eigentliche «grosse» Ausgabe ist geheim. Wir Reparateure bekommen sie nicht. Wie ein Büchlein eines privatrechtlichen Vereins mit geheimen Richtlinien einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit haben soll, ist mir ein Rätsel. Doch nicht nur mir. Ein Rechtsgutachten, das ich habe machen lassen, kommt zum selben Schluss.
Zurück zum Hagel: Ich habe mal gerechnet. Einen mittleren Schaden mit der richtigen und dann noch mit der +vffs-Liste.
Richtig: 3‘640.-
+vffs: 2‘626.-
Zum Glück fallen nicht alle Versicherungen auf die Verlockung des schnellen Geldes herein. So rechnet beispielsweise die AXA nach wie vor mit realistischen Zahlen. Der AXA-Kunde erhält also im Drive-In nach meinem Beispiel einen Tausender mehr. Glückliche AXA-Kunden! Und glückliche Mitarbeiter, welche nach der AXA-Liste drücken dürfen und nicht vom +vffs gedrückt werden. Und natürliche auch glückliche Mitarbeiter bei mir. Ich möchte auch noch in ein paar Jahren gute und motivierte Fachleute haben. Mit solchen Schindereien verschärfen wir die personelle Problematik, welche auf unser Gewerbe zukommen wird, zusätzlich.