Oft hört man im Zusammenhang mit einer Instandsetzung den Begriff «zeitwertgerecht».
Um eine nähere Begriffserklärung und die praktische Konsequenz gefragt, antworten viele relativ hilflos.
Ich frage dann jeweils etwas keck: „Wie viel teurer darf denn eine Reparatur an einem älteren Fahrzeug sein?“.
Verdutzte Blicke, unglaubliches Staunen oder auch schon mal ein Lacher sind mir dann auf sicher.
„Ja, ich meine, wenn die Schrauben aufgrund der Zeit, welche das Auto schon im Verkehr ist, schon etwas festgesessen sind, gibt es natürlich schon mehr Aufwand.“
Staunen
„Oder wenn schon etwas Korrosion nach dem Austrennen des Einschweissteils entfernt werden muss, hat der Fachmann auch mehr zu tun.“
Noch mehr Staunen
„Und dann“, fahre ich weiter „wenn die Lackierung schon etwas in die Jahre gekommen ist und nun noch mehr nachgetönt oder sogar der Glanzgrad noch leicht reduziert werden muss, das alles gibt natürlich Mehraufwand und damit Mehrkosten, welche sich in der Tatsache begründet, dass der Zahn der Zeit halt schon etwas Spuren am Fahrzeug hinterlassen hat und die Reparatur unter Berücksichtigung dieser Faktoren nun etwas teurer, also «zeitwertgerecht» wird …“.
„Nein, nein. Du verstehst das falsch: Zeitwertgerecht bedeutet, dass die Reparatur billiger wird.“
Aha. Ich habe mich dem Thema dann mal in aller Seriosität angenommen. Im Netz fand ich nicht viel Vernünftiges. Die einen wollen mit Abbruchteilen «zeitwertgerecht», die anderen mit Nachbauteilen.
Wenn Occasionsteile verfügbar sind, dann ist das durchaus ein Weg. Unsere diesbezüglichen Erfahrungen sind zwar eher negativ, doch es kommt halt vielleicht auch auf das Segment an. Aber Nachbauteile bei der Unfallinstandsetzung sind immer noch ein Tabu. So hielt das AZT in einer Studie unmissverständlich fest, dass Nachbauteile ein Sicherheitsrisiko darstellen können. Und das AZT stuft nicht nur Längsträger oder sonstige eindeutig sicherheitsrelevante Teile als problematisch ein. Selbst eine einfache Stossstange, welche formmässig zwar gleich aussieht wie das Originalteil, aufgrund einer anderen Zusammensetzung des Kunststoffes jedoch splittern könnte, stellt eine potentielle Gefahr bei einer Kollision mit einem schwächeren Verkehrsteilnehmer wie Velofahrer oder Fussgänger dar.
Mittlerweile hat es der Begriff bis in die AVB’s einiger Versicherungen geschafft. Hoffentlich kommt dann auch mal rein, was man darunter versteht.
Noch etwas darüber zu lesen gibt es hier: http://www.swissgarant.ch/recht-technik/zeitwertgerechte-instandsetzung/